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Das Weltreise-"Tagebuch" der Därrs im Jahr 2005

28.12.05   Guatemala

"Sprung nach Mittelamerika geschafft"
Den wenigsten Menschen in Europa ist bewusst, dass es zwischen Südamerika und Mittelamerika, also zwischen Kolumbien und Panama keine Strassenverbindung gibt. Selbst in den umliegenden Ländern ist das vielen Einheimischen nicht klar. Die Grenzgegend, der "Darien" ist ein Sumpfgebiet, Drogenschmuggelregion, Nationalpark und Indianerschutzgebiet. Also muß man das Fahrzeug verschiffen. Wir haben es mit der Wallenius Wilhemsen Line RoRo vom Hafen Porto Bello in Venezuela in den Hafen Colon in Panama verschifft. Es gelang uns im letzten Moment mittels eines Arrangements mit der Hafenagentur und dem Kapitän mit an Bord des Schiffes zu kommen. Das hat uns einen Haufen Geld gespart, wir hatten das Fahrzeug unter Kontrolle und wir mußten nicht selbst den umständlichen, risikoreichen Weg mit Taxi, Flugzeug und Zug von Hafen zu Hafen antreten. Die Verschiffung des Fahrzeug über relativ kurze Distanz hat dennoch fast so viel gekostet wie die Verschiffung von Kapstadt nach Buenos Aires.
Jetzt sind wir schon wieder fast zwei Monate in Mittelamerika unterwegs von Panama über Nicaragua, Costa Rica und Honduras nach Guatemala. Über die Vulkanregionen Costa Ricas und Nicaraguas, hier ist besonders der überwältigende Nachtanblick des Lava speienden Vulcano Arenal zu erwähnen, haben wir nun die archäologisch wichtigen Sehenswürdigkeiten Mittelamerikas erreicht. Hier gilt es die Vielzahl der z.T. riesigen Ruinen der Maya-Städte zu erkunden.
Deren sehr hochstehende aber auch kriegerische Kultur ist zwar schon Ende des ersten Jahrtausends unter nicht endgültig geklärten Umständen untergegangen, ihre umfangreichen, schriftlichen, wissenschaftlichen Überlieferungen wurden jedoch erst im 16. Jahrhundert durch die spanischen Eroberer fast restlos ausgelöscht. Ein Großteil der Nachfahren der Mayas wurden von den Spaniern in religiösem Wahn in Einheit mit Gier nach Land und Edelmetallen ermordet oder in Zwangsarbeit ausgebeutet und zwangsweise christianisiert. Erst in den letzten Jahren beginnt bei den Indígenas (Indios) von Süd- und Mittelamerika ein neues Selbstbewusstsein aufzukeimen, das sich seit einigen Jahren in Venezuela und jüngst in Bolivien in der Wahl eines Indio-stämmigen Präsidenten ausdrückt. Ich kann es verstehen, wenn man es in Lateinamerika auf Dauer nicht akzeptiert noch immer von einer dünnen europäischstämmigen Oberschicht beherrscht zu werden. Ob das gut geht muß sich zeigen, jedenfalls wird in den Andenstaaten S-Amerikas und in Mittelamerika politisch noch sehr viel auf die Menschen zukommen. 


20.10.05   Colonia Tovar/Venezuela

Erster Raubüberfall auf dieser Reise!
Jetzt ist es also passiert, wir wurden erstmalig auf dieser Reise Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls. An der venezolanischen Küste zwischen Cumana und Puerto la Cruz waren wir an einem kleinen Strand (Playa Vallecito nahe der bekannten Playa Colorada). Der Strand ist von der Straße aus kaum einsehbar, weshalb wir ihn für geeignet hielten am Sonntag-Nachmittag zu baden und dann die Nacht zu verbringen zumal Camping ausdrücklich angeboten wurde. Es gibt dort ein kleines Restaurant und es waren zunächst sehr viele Tagesausflügler da. Gegen Abend um sieben Uhr, bei gerade eingebrochener Dunkelheit waren nur noch eine Gruppe venezolanischer Touristen am Strand und wir auf dem angrenzenden Parkplatz. Erika lag im Liegestuhl und las, ich reparierte im Licht meiner Außenlaterne das Schloss unseres "Geheimfachs" als zwei junge Männer von zwei Seiten zielstrebig auf uns zu kamen. Ich griff noch nach dem Pfefferspray ließ ihn aber gleich wieder sinken als in Bauchhöhe eine Pistole auf mich gerichtet wurde. Spontan entfuhr es mir in Erinnerung an den schweren Raubüberfall dem wir 1999 in Mauretanien zum Opfer fielen: "Jetzt geht das schon wieder los". Die beiden nahmen uns die Armbanduhren ab und griffen nach der Handbohrmaschine die auf dem Tisch lag. Von hinten, um das Auto herum, kam ein dritter junger Mann mit einer weiteren Pistole auf mich zu. Er nahm ungeprüft einen schäbigen, schweren kleinen Metallkoffer mit, in dem ich meine Schraubensammlung für Reparaturzwecke verpackt hatte. Ich war davon überzeugt, dass man mich jetzt zwingen würde Kameras und unser Geld herauszurücken. Es schoss mir die Frage durch den Kopf, in welcher Reihenfolge ich ihm welche Depots eröffnen würde.
Zunächst wäre das Depot mit einigen 1 US$-Scheinen, wertlosen Simbabwe-Dollars und abgelaufener Kreditkarte abgeliefert worden. Zur größten Überraschung verschwanden die drei aber nach weniger als einer Minute wieder und fuhren mit einem Motorboot weg. Warum sie es so eilig hatten wissen wir bis heute nicht.
Vielleicht vermuteten sie, dass in unserem geschlossenen Fahrzeug weitere Touristen sind und denen evtl. auch eine Waffe zur Verfügung steht. Es kann auch sein, dass sie aus der unmittelbaren Umgebung stammen und befürchteten im Schein der Außenbeleuchtung unseres Fahrzeugs von Einheimischen Beobachtern erkannt zu werden. Erika ging daraufhin im Sichtschutz des Fahrzeugs zur Kneipe, ich sprach die andere noch anwesende Gruppe von vier Venezolanern und einem Kubaner an. Sie berichteten, dass sie am unbeleuchteten Strand unmittelbar vor uns ausgeraubt worden waren. Es war ihnen Geld und Kleidung abgenommen worden, sie standen z.T. in Unterwäsche da. Alle waren, wie auch wir, froh nicht verletzt zu sein. Obgleich auch sie Opfer waren, entschuldigten sich bei uns im Namen aller Venezolaner für ihre kriminellen Landsleute. Wir versorgten sie mit der nötigen Kleidung, damit sie nicht in Unterwäsche heim fahren müssen. Weder die Leute von der Kneipe, noch die anderen ausgeraubten Touristen schienen bei der Polizei Meldung zu machen (kein Telefonnetz vorhanden). Wir verließen den Platz um in Playa Colorada vor einem Polizeiposten zu übernachten, der war aber nicht besetzt. Also campten wir im Hof eines Hotels mit Nachtwächter und fühlten uns wieder sicherer. Am nächsten Morgen fuhren wir zurück zum Strand um uns mit den Betreibern der Kneipe auszutauschen und dann weiter zu reisen. Zu unserer Überraschung trafen wir dort einen Polizisten an, dem wir so gut wir konnten berichteten, was wir beobachtet hatten. Er hörte es sich mit freundlichem Gesicht an, erwähnte, dass gestern noch zwei weitere nahegelegene Strände überfallen worden seien und das war's dann auch schon.
Wie so oft hätte es viel schlimmer kommen können, es gibt aber natürlich dennoch heftig zu Denken und verunsichert uns einigermaßen, denn sichere Standplätze sind in Venezuela rar. Nach einigen Tagen wurde uns klar, dass keiner von uns beiden die Fortsetzung der Weltreise in Frage gestellt hatte und so warten wir im noch recht sicheren, deutsch geprägten Colonia Tovar, auf die Verschiffung unseres Fahrzeugs nach Panama.

In einem SPIEGEL habe ich einen Ausspruch von Afred Hitchcock gelesen der sinngemäß lautet: "Ein Film ist wie ein Leben, aus dem aber alle langweiligen Passagen herausgeschnitten wurden". So ist es auch mit einer Weltreise, manchmal sogar wie im Krimi. 


22.08.05   Venezuela

Korruption, die dunkle Seite Brasiliens
Nach fast vier Monaten Brasilien sind wir endlich in Venezuela. Die Einreise war, auch mit Fahrzeug, problemlos.
Wir stehen nun im Campamento Ecologico Ya-Koo in Sta. Elena unseres Freundes Manfred Frischeisen, der aus München hier nach Venezuela eingewandert ist.
Der Dieselpreis ist mit 0,06 € einfach traumhaft, allerdings konnte ich bei der Tankstelle nur 60 Liter bekommen, was nicht zur Weiterreise in den Norden reicht. Heute werde ich noch einmal hinfahren, wenn ich dann wieder 60l bekomme, dann reicht es bis zur nächsten sicheren Tankstelle auf der Strasse nach Norden. Es ist schon interessant, wie es gerade in Ölstaaten wie Nigeria, Libyen, Ecuador und Venezuela immer wieder zu Versorgungsproblemen kommt.
Eigentlich möchte ich aber aus Brasilien berichten, wohin wir uns nach zweieinhalb Jahren erstmals Verschleißteile per Luftfracht haben schicken lassen. Den seit 30.000 km tobenden Kampf darum in S-Amerika geeignete Reifen zu finden hatten wir verloren, als wir zwischen Natal und Fortaleza binnen 24h zwei Totalschäden erleiden mussten. Es fehlten "nur" noch 2.000-3.000 km bis Venezuela, wo es die notwendige Reifendimension geben soll, aber ohne Ersatzreifen war an eine Weiterfahrt über die Transamazonica nicht zu denken. UNICAT, der Hersteller unseres Fahrzeugs (www.terracross.de), hat die angeforderten Reifen und bei der Gelegenheit weitere Verschleißteile binnen weniger Arbeitstage bei einer Luftfrachtspedition abgeliefert. Die hat sich so doof angestellt wie möglich, hat die Ware einschließlich unnötiger EURO-Palette verschickt, welche Frachtvolumen, Frachtgewicht und Frachtkosten massiv erhöht hat. Zusätzlich hat sie die Frachtkosten auf den Versanddokumenten falsch, 3x so hoch wie tatsächlich berechnet nach dem IATA-Tarif angegegeben. Beim brasilianischen Zoll wurden wir einem Wechselbad von Hoffnung auf zollfreie Abfertigung, Vertröstungen auf den nächsten Tag, massiven Zollforderungen (60% auf Warenwert plus Fracht), neuen Hoffnungen auf günstige Abfertigung weichgekocht. Gleichzeitig gingen die Lagerkosten im Zollager des Flughafens im Dreitagesrytmus progressiv nach oben. Ohne es auszusprechen wollte man offensichtlich sattes Schmiergeld. Die extrem nervige Prozedur dauerte sechs Tage bis zur Freigabe durch den zu kurz gekommenen, unfreundlichen Zollchef und hat unser Bild des bis dahin freundlich und zukunftsträchtig erscheinenden Brasilien wesentlich beeinträchtigt. So haben wir also auch die korrupte Fratze hinter dem wunderbaren Gesicht dieses riesigen Landes kennen gelernt.
Als wir wieder flott waren, ging es dann zügig über Teresina nach Marabá und von dort auf den westlichen Teil der Transamazonica nach Santarem. Vom erwarteten Urwald ist nur noch ein Teil erhalten und die Piste ist staubig und löchrig, aber mit einem Durchschnittstempo von 25-30 km/h in der Trockenzeit relativ problemlos befahrbar. Das schlechteste Stück beginnt dann von Ruropolis 120 km in Richtung Santarem bevor dann die Teerstraße beginnt. Von Santarem verschifften wir auf dem Amazonas nach Manaus mit LINAVE, der einzigen Gesellschaft die in diese Richtung Fahrzeuge mit Passagieren befördert. Die Fahrt war schön und geruhsam direkt in vorderster Front auf dem Ponton und wir genossen die Aussicht auf den Fluss und die Delfine. 


15.06.05   Rio aus dem Busfenster betrachtet

(Rechts im Bild: Eingangsschild einer Sanitätsstation in Paraty)

Pflichtgemäß, aber mit Begeisterung haben wir uns Rio angesehen. Das heißt, wir sind am Vormittag in der Nähe des Campingplatzes, der ca. 25 km südlich am Atlantik liegt, in einen öffentlichen Bus eingestiegen um entweder in die City oder an die Copacabana zu gelangen. Das artete sofort in eine riesige Rundfahrt, zunächst um, und dann in Rio aus, denn Rios Bussystem ist zwar flächendeckend, aber sehr schwer durchschaubar. Die Busse fahren Ringrouten, wegen der Tunnels, Lagunen, Berge und Buchten mit unendlich vielen Schleifen. Wenn es mal länger geradeaus ginge, dann fahren sie noch einen Abstecher um eine abgelegene Haltestelle zu bedienen. Einen Busfahrplan gibt es nicht, an Haltestellen sind oft nicht markiert welcher Bus dort hält, und wo er hinfährt. Den Bus hält man bevorzugt an einer Haltestelle einfach an, oder steigt - eigentlich offiziell nicht erlaubt - an der roten Ampel zu. Das muß in Blitzgeschwindigkeit geschehen, denn der Bus fährt sofort los sobald man das Trittbrett betreten hat, gibt Vollgas, schaltet sehr schnell und läßt die Kupplung mit einem Ruck kommen. In Kombination mit unebener Straße und ständigen Brems-, Überhol- und Ausweichmanövern ist das ein außerordentlich dynamischer Prozess. Auf dem Weg zum Schaffner und dann zum Sitzplatz kommt man sich vor wie in einer Raumkapsel. Man muss sich ständig mit Händen oder Füßen rechts, links, oben, unten irgendwo wieder abstoßen um vorübergehend grob die richtige Bewegungsrichtung einzuhalten.
Nebenher kramt man das Kleingeld für den Fahrpreis raus, hebt auf was dabei runtergefallen ist, behält seine Wertsachen unter Kontrolle und versäumt natürlich das Wechselgeld zu prüfen. Wenn es gelingt einen Sitzplatz zu ergattern, so muß man sich auch dann noch festhalten, insbesondere wenn er gerade mal wieder mit Vollgas eine enge Schleife fährt. Bei voll besetztem Bus mag sich das erübrigen. Wir haben uns meistens gleich hinter den Platz des Schaffners niedergelassen, weil da viel Beinfreiheit herrscht. Kinder, denen es gelingt sich neben oder unter dem Drehkreuz beim Schaffnersitz durchzupressen fahren ebenso frei wie Senioren, die dank Ausweis mit Magnetstreifen das Drehkreuz ohne Verrenkung passieren können. Von unserem Beobachtungsposten neben dem erhöhten Schaffnersitz konnten wir in mehreren Bussen beobachten wie die Schaffner systematisch falsch herausgeben. Es ist ja auch ausgesprochen unsozial das Wechselgeld des Schaffners nachzuzählen oder ihm gar gleich den passenden Betrag zu geben. Wovon soll er und seine Familie denn leben, wovon Fahrer und Vorgesetzten etwas abtreten, wenn er nicht nebenher etwas Überschuss machen kann. Sein regulärer Lohn beträgt nur 100 € monatlich, wovon er knapp 200 Busfahrten bezahlen könnte. Erst mit der Zeit wurde uns klar, dass der Platz direkt beim Schaffner doch nicht so gut ist, denn es kommen immer wieder Kontrolleure herein und schöpfen das Bargeld des Schaffners ab. Was sich zwischendrin ansammelt versteckt er zwischen Sitz und Oberschenkel, in der Hemdtasche, hinter dem Gürtel oder steckt es in eine am Boden verschraubte Stahlkasse mit Geldschlitz. Die Busse scheinen also immer wieder mal ausgeraubt zu werden. Da muß man als Gringo nicht gerade direkt daneben sitzen und die Räuber auf dumme Gedanken bringen.
Naja Besichtigungen haben natürlich auch stattgefunden, aber da die Tage jetzt zu Winteranfang (27°C) kurz sind und wir nicht im Dunkeln unterwegs sein möchten, müssen wir schon bald wieder den zweistündigen dynamischen Rückzug per Bus zum Campingplatz antreten. 


27.04.05   Uruguay

Die ersten 100.000 km sind `rum
Mit wiederholtem Wechsel über die Anden zwischen Argentinien und Chile haben wir uns auf der "Carretera Austral" (S-Chile)und der "Ruta Quarenta" (RN 40 = Nationalstraße Nr. 40 in Argentinien)inzwischen bis Ushuaia, der südlichsten Stadt der Erde vorgearbeitet. Auf der "RN 3", auf der Ostseite Argentiniens, ging es wieder hinauf bis Buenos Aires. Patagonien ließ nichts zu wünschen übrig, bei zumeist gutem Wetter konnten wir die berühmten schroffen Felsnadeln des "Fitzroy" ebenso bewundern wie die Gebirgslandschaft des "Torres de Paine" Nationalparks, den "Perrito Moreno"-Gletscher und die rauhe See des Beagle-Kanals. Auf der chilenischen Seite der Anden, auf der eigentlich einsamen "Carretera Austral"-Schotterpiste trafen wir einige Traveller mit ihren fernreisegeeigneten Wohnmobilen, aber auch verblüffend viele Fahrrad-Traveller, die sich auf rauher Piste, bei starkem Wind, zeitweise Regen und Bergaufstrecken abplagten. Ich kann es mir nicht verkneifen mein Unverständnis dafür auszudrücken, dass man sich über Wochen oder Monate unter widrigsten Verhältnissen dermaßen abplagt um dann auf der Landkarte einen eindrucksvollen Strich einzeichen zu können, der zeigt was man abgestrampelt hat. Jeder spinnt auf seine Weise, so wie wir auf unsere. Das ist eben das Schöne an der Weltreise, dass man niemandem Rechenschaft schuldig ist, was man machen möchte und warum.
Kurz vor Buenos Aires hatten wir die ersten 100.000 km der Weltreise erreicht und verabschiedeten uns wenige Tage später wehmütig von Argentien in Richtung Uruguay. Die Grenzabfertigung war ebenso problemlos und flott wie freundlich. Wir erhielten ohne danach zu fragen 3 Monate Aufenthaltsrecht als Touristen im Pass und das Recht das Fahrzeug bis zu einem Jahr im Land zu belassen. In Grenznähe, wenige Kilometer hinter der eindrucksvollen Spannbetonbrücke über den Rio Uruguay, der die beiden Länder trennt blieben wir zwei Nächte auf einem hübschen Campingplatz am Wasser nahe Fray Bentos. Am zweiten Abend ruhte ich nach dem Abendessen in der Dunkelheit vor dem Fahrzeug aus und genoss den Sternenhimmel, als sich ein Besucher vorstellte. Es war der Reporter eines örtlichen Privatsenders, der einige Fragen zu unserer Weltreise aufzeichen wollte. Ohne das Glas Rotwein, das ich zuvor genossen hatte, hätte ich das Ansinnen vermutlich glatt abgelehnt, denn meine Spanischkenntnisse beschränken sich auf das Wichtigste und ich würde mir nicht selbst zuhören wollen. Das Interview verlief dennoch einigermaßen, die spanischsprachige Weltpresse ist allerdings nicht drauf angesprungen, so dass ich jetzt wieder meine "Königlich Bayrische Ruah" habe. 


15.03.05   Patagonien/Argentinien

"Spritzige Angelegenheiten im nördlichen Patagonien"
S-Chile ist bekannt für seine großartigen Seen-, Wald- und Berglandschaften, wobei alles noch von perfekt kegelförmigen, schnee- und gletscherbedeckten Bilderbuchvulkanen überragt wird. Einer dieser Vulkane, der Villarrica ist aktiv und man kann ihn mit Bergführer besteigen. Uns war klar, dass das für uns eine einzigartige Gelegenheit ist das Naturphänomen "Vulkanismus" mal ganz aus der Nähe zu betrachten. Also engagierten wir über die sehr schöne Bungalowanlage Club Los Ulmos des deutschen Arztes Ekart von Wedelstaedt, als Führer den bekannten Bergsteiger Hans Saler aus München, der sich in Chile niedergelassen hat, als zugelassenen Bergführer. Erst ging es 400 Höhenmeter mit dem Ski-Lift nach oben, dann 1.000m in etwas über vier Stunden zu Fuß, z.T. mit Steigeisen im Schnee. Der Blick in den Vulkankrater ließ nichts zu wünschen übrig. Im Abstand von einigen Minuten spritzte er in lauten Eruptionen glühende Lava in die Höhe, die sich in der Nähe des Schlundes niederschlug. Wenn der Wind drehte wurden wir von ätzender, zum heftigem Husten reizender Luft umschlossen. Der Abstieg ging noch mehr in die Knochen als der Aufstieg, weil der Lift (hier im Süd-Sommer) nur in den Morgenstunden läuft, um die Bergsteiger die ersten 400m nach oben zu befördern. Dann ist die Kasse gefüllt und der Lift wird abgestellt. Also mußten wir 1.400m über Feuchtschnee und Vulkanasche wieder absteigen, was doch heftig in die Gelenke ging.
Zwei Wochen später, nach eindrucksvoller Fahrt auf der landschaftlich einzigartigen "Carretera Austral" in S-Chile mit Gletschern, klistallklaren Flüssen und türkisblauen Bergseen, gelangten wir zum kleinen Ort "Puerto Tranquillo" am "General Carrera-See", dem zweitgrößten See Südamerikas, der auf der argentinischen Seite "Lago Buenos Aires" heißt. Wir charterten ein kleines Motorboot um zu den dort bekannten Höhlen aus Marmor zu gelangen, in die man mit dem Boot einfahren kann. Die Spritztour sollte 1 1/2 Stunden dauern, was sich aber als nicht haltbar erwies. Die Wellen außerhalb des "Puerto Tranquillo" ("Ruhiger Hafen") waren über zwei Meter hoch und machten der offenen Nussschale, wie auch uns erheblich zu schaffen. Der erfahrene Bootsführer hatte zwar eine ausgefeilte Technik die Wellen anzufahren, auf ihnen zu drehen und dann mit ihnen zu "surfen", aber letztlich wollten wir ja ein Ziel erreichen und nicht die Fahrtrichtung durch den Wellengang vorgeben lassen. Wegen des gedrosselten Tempos des Bootes und der Schlangenlinienfahrt um die Wellen zu meistern, dauerte die Fahrt dann auch geschlagene drei Stunden. Die Marmorhöhlen, in ruhigerem Gewässer einer Bucht gelegen, waren die Fahrt zweifellos wert, aber unsere Angst bei der Rückfahrt zu Kentern verflog erst, als wir völlig durchnässt von der wackeligen "Spritztour" wieder den rettenden Hafen "Puerto Tranquillo" erreichten. 


10.02.05   Santiago de Chile

Die Rückreise aus Ecuador in Richtung Peru gestaltete sich etwas stressig, denn der ecuadorianische Zoll war mit meinem Einreisepapier für das Fahrzeug aus Macara sehr gefordert. Nach 2 1/2 Stunden Wartezeit hatte man sich darauf geeinigt, wie das Einreisepapier wieder gelöscht werden könnte. Ein Zöllner fuhr mit uns über die Grenze zum peruanischen Zoll und ließ sich in 5-facher Ausfertigung bescheinigen, dass das Fahrzeug dort eingetroffen ist. Im Unterschied zur gut organisierten Grenzstation Macara ist die Grenze in Huaquillas echt chaotisch und zur Einreise mit dem Auto ohne Carnet keinesfalls zu empfehlen.
In Nordperu feierten wir ein sehr nettes Silvesterfest auf einem Campingplatz des Spaniers Leon Millan an der Küste, konnten dort noch baden und Sonne tanken, bevor wir mit einem Münchner Paar im Schlepptau weiter in Richtung Trujillo fuhren. Dann ging es 3.000 Kilometer zwischen Wüste und Küste durch Peru zurück in Richtung Chile, natürlich mit Abstechern zu den vielen historischen Attraktionen dieses vielfältigen Landes.
Die Einreise nach Chile gestaltet sich mal wieder so wie man das von den "Preussen Südamerikas" zu erwarten hat. Immigration, Zoll, S.A.G. und Carabinieris walten ihres Amtes. Der Zoll und die Lebensmittelaufsicht S.A.G. inspizieren gemeinsam das Fahrzeug. Es dürfen keine frischen Lebensmittel eingeführt werden. Das ist extrem lästig, denn man muss schon lang im Vorfeld Butter, Käse, Fleisch, Wurst, Honig, Obst, Gemüse, Nüsse etc. verkonsumieren. Nach Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung, dass man nichts mitführt erfolgt die Kontrolle. Buspassagiere müssen an jeder Grenze sämtliches Gepäck in das chilenische Zollgebäude zur Inspektion bringen und es werden alle Taschen geöffnet. Alles passiert in korrekter, aber zeitaufwändiger Form, wie es in Europa bis Ende der 80er-Jahre allenfalls bei der Einreise in die DDR noch üblich war.
Im Norden Chiles suchten und fanden wir Abwechslung von der öden Panamericana, indem wir von Arica einen Abstecher in den "Lauca Nationalpark" in der Grenzregion zu Bolivien machten. Dort fuhren wir auf Pisten durch traumhafte Vulkankulisse in den Vicuna- und Islugapark und von dort nach Westen bis Iquique. Zurück am Meer, folgten wir der attraktiveren Küstenstraße und nicht der im Landesinneren verlaufenden Panamericana. Dann ging es über den 4.770m hohen, landschaftlich sehr schönen "Agua Negra-Pass" mal wieder für einige Tage nach Argentinien und vom dortigen Mendoza über den "Paso de la Cumbre" am Aconcagua, dem höchsten Berg Amerikas vorbei, zurück nach Chile. In Santiago ließen wir unser TerraCross - Weltreisefahrzeug ( http://www.terracross.com ) bei der gut eingerichteten MAN-Vertretung einer 100.000km-Inspektion unterziehen. Aber selbst in dieser sehr gut entwickelten 8-Millionen-Stadt ließen sich, wie schon vorher in Argentinien, Brasilien, Peru, Bolivien und Ecuador, keine neuen Reifen für unser Fahrzeug auftreiben. Die Reifendimension 365/80R20(= 14.5R20)ist hier total unüblich. Es soll sie angeblich in Venezuela geben, bis dahin hoffen wir mit einer sehr glaubwürdigen Runderneuerung über die Runden zu kommen, die wir bei Santiago an den beiden abgefahrensten unserer Reifen vornehmen ließen. Währenddessen genossen wir herzliche Gastfreundschaft bei einer deutschen Familie.
Auch das muß einmal gesagt werden: Fährt man von Bayern nach Norden, so ist man erfreut wie freundlich die Menschen sind. Fährt man nach Westen, Osten oder Süden, so empfindet man das Gleiche. Woran das wohl liegen mag? Bis auf sehr wenige Ausnahmen, die man an einer Hand abzählen könnte, wurden wir auch während der inzwischen zwei Jahre dauernden Weltreise in 37 Ländern zumindest höflich, fast immer sogar sehr freundlich und hier in Chile augesprochen zuvorkommend behandelt. Vorgestern an der Küste bei Vina del Mar, stand sogar der deutsche Botschafter in unserer Türe, der sich dort urlaubshalber aufhielt und hat sich kurz mit uns unterhalten, weil er sich für unsere Reise interessierte.

 

www.thuraya.de www.expeditionstechnik.de www.daerr.net


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